Gewaltenteilung bei Bitcoin

Von Julian Steinwachs

Bei Bitcoin gibt es im Wesentlichen drei Gruppen von politischen Akteuren: Nutzer, Miner und Entwickler. Sie alle stehen in gegenseitiger Abhängigkeit. Die Nutzer vertrauen den Entwicklern, dass die Bitcoin-Software sicher ist und messen deshalb der Währung Bitcoin einen Wert zu. Die Entwickler vetrauen wiederum den Minern, dass diese dafür sorgen, die Sicherheit der Blockchain zu gewährleisten. Und die Miner vetrauen darauf, dass die Nutzer der Währung Bitcoin einen Wert beimessen, in der sie bezahlt werden. Der Wert der Währung folgt also aus einem Zirkelschluß, was Bitcoin schon immer einiges an Kritik eingebracht hat. Es ist erstaunlich wie dieses System es schafft, sich an seinen eigenen Schnürsenkeln in immer weitere Höhen zu ziehen.

Dadurch, dass sowohl Nutzer, als auch Entwickler und Miner an der Wertschöpfung beteiligt sind, tragen auch alle eine politische Rolle. Es herscht eine Gewaltenteilung vergleichbar mit der in einem Rechtsstaat. Die Entwickler entprechen etwa der Legislative und die Miner etwa der Exekutive. Manch einer würde vielleicht die Miner eher als Judikative sehen. Tatsächlich haben die Miner aber keinerlei Macht über die Auslegung der Regeln, weil jeder Knoten ebenfalls alle Transaktionen automatisiert überprüft. Die Judikative ist also vollständig durch die Software weg-automatisiert (“code is law”).

Innerhalb der drei Gruppen gibt es wiederum unterschiedliche Parteien. Bei den Nutzern gibt es sowohl Privatanwender, die die Bitcoin-Software selber betreiben als auch Unternehmen, die Dienste innerhalb der Bitcoin-Plattform zur Verfügung stellen. Die Entwickler lassen sich der jeweiligen Software zuschreiben, für die sie entwickeln. Neben der meistgenutzten Software “bitcoin-core” gibt es mittlerweile auch noch weitere Software-Projekte, die im selben Bitcoin-Netzwerk operieren. Die Miner sind schließlich in unterschiedliche Miningpools aufgeteilt, die um die größte Hashrate konkurrieren.

In diesem Jahr (2017) zeigt sich, glaube ich, dass diese Gewaltenteilung bei Bitcoin eine seiner größten Stärken ist. Die Entwickler sind nämlich schon seit Langem uneinig darüber wie Bitcoin zukünftig mit einem größeren Transaktionsaufkommen zurecht kommen soll. Ein den Minern nahestehender Teil will die Größe der Blöcke erhöhen, damit mehr Transaktionen in einen Block passen. Die Entwickler des meistgenutzten Clients “bitcoin-core” (Core-Entwickler) wollen aber stattdessen Technologien ermöglichen, die es erlauben Transaktionen in Zahlungskanälen zu bündeln.

Ich will jetzt nicht auf die Unterschiede im Detail eingehen. Viel interessanter ist es sich anzuschauen, wie solche Meinungsverschiedenheiten aufgelöst werden. Nach einem langen Stillstand in der Debatte entschied sich die den Minern nahestehende Fraktion der Entwickler ihre Software inkompatibel zu der der anderen zu machen, um die größeren Blockgrößen zu erlauben. Ein solches Vorgehen wird Hard-Fork genannt. Die Inkompatibilität wurde so einprogrammiert, dass sie erst ab dem 1. August diesen Jahres griff. Ab dem 1. August lag die Blockchain dann in zwei Versionen mit identischen Kontoständen vor, wovon die eine inkompatibel mit dem einen Teil der Software und der andere inkompatibel mit dem anderen Teil der Software waren. Je nachdem welche Software der jeweilige Nutzer einsetzte, operierte er danach auf der einen oder der anderen Version. Die Nutzer hatten jetzt also die Wahl die eine, die andere oder beide Versionen weiterzubenutzen.

Die zweite Version mit den veränderten Regeln bekam den namen Bitcoin Cash und wurde an Exchanges gehandelt. Erst dadurch, dass ein Teil der Nutzer Bitcoin Cash einen Wert beigemessen hatte, war es möglich, dass ein Teil der Miner ihre Arbeit auf dessen Blockchain fortführten und sich damit von Bitcoin abwandten. Wäre das nicht passiert, hätten die Miner ihre Belohnung nicht in ihre Lokalwährung umtauschen und damit ihre Stromrechnung bezahlen können.

Im Grunde treten die Client-Software-Projekte der Entwickler auf wie politische Parteien, für die die Nutzer abstimmen können. Den Projekten kommt dann die Aufgabe, den Mehrheitswillen der Nutzer möglichst getreu in Software abzubilden. Ansonsten laufen sie Gefahr zu viele Nutzer an Konkurrenz-Projekte zu verlieren. Sobald die Nutzer dem jeweiligen Coin einen zu geringen Wert beimessen, können die Miner ihre Ausgaben nicht mehr begleichen und machen Verlust.